Diesen Sommer werden die Ergebnisse der alle zehn Jahre vom
britischen Filmmagazin „Sight and Sound“ durchgeführten Umfrage zu den besten
Filmen aller Zeiten veröffentlicht werden. Für mich Anlass genug, in meinem
Bekanntenkreis eine eigene kleine Umfrage zu starten. Die S&S-Top 10-Liste
führt seit 1962 Orson Welles’ „Citizen Kane“ (1941) an und auch die anderen
Plätze wurden in der Vergangenheit von meist schon etwas älteren Filmen belegt.
Mich reizte es nun, herauszufinden, wie ein doch deutlich jüngerer Kreis von
Kritikerinnen und Kritikern urteilen würde.
Die Jurorinnen und Juroren wurden aufgerufen, zehn Filme in
beliebiger Reihenfolge zu nennen, die aus ihrer Sicht die besten bzw.
bedeutendsten sind. Welche Kriterien dafür heranzuziehen seien, wurde jedem
persönlich überlassen. Das bedeutet, dass die einzelnen Listen und auch das
Ergebnis der Umfrage sehr subjektiv sind. Aber können solche Listen überhaupt
anders sein?
Zur Teilnahme eingeladen wurden 16 Personen, von
diesen nahmen 10 Personen die Einladung war. Da eine der Personen eine Liste
mit nur neun Titeln einreichte, wurden somit insgesamt 99 Nennungen getätigt.
Die geringe Teilnehmerzahl birgt einige Probleme, doch das Endergebnis ist
trotzdem sehr eindeutig:
- Platz 1: „Der Pate“ (1972, Francis Ford Coppola) (7 Nennungen)
- Platz 2: „Der Pate – Teil II“ (1974, Francis Ford Coppola) & „Heat“ (1995, Michael Mann) (jeweils 4 Nennungen)
- Platz 4: „Pulp Fiction“ (1995, Quentin Tarantino) (3 Nennungen)
Auf Platz 5 mit jeweils zwei Nennungen folgen „Casablanca“
(1942, Michael Curtiz) , „Der dritte Mann“ (1949, Carol Reed), „A Clockwork
Orange“ (1971, Stanley Kubrick), „Thelma & Louise“ (1991, Ridley Scott), „Der
König der Löwen“ (1994, Roger Allers, Rob Minkoff), „Fight Club“ (1999, David
Fincher), „Memento“ (2000, Christopher Nolan) und „Die Monster AG“ (2001, Peter
Docter, Davis Silverman, Lee Unkrich).
Das Ergebnis ist mit Blick auf die letzte S&S-Liste
überraschend und auch wieder nicht. Mit den beiden „Pate“-Filmen stehen Titel
ganz vorne, die 2002 auch bei S&S in den Top Ten waren (gemeinsam auf Platz
4). Sonst gibt es aber keine Übereinstimmungen, nicht einmal mit jenen Filmen,
die jetzt nur einmal genannt wurden.
Hier einige zusätzliche Auswertungen:
Regisseure
Bei den mit unterschiedlichen Filmen vertretenen Regisseuren
führt ganz klar Francis Ford Coppola
mit 12 Nennungen (für „Der Pate“, „Der Pate – Teil II“ und „Apocalypse Now“
(1979)) die Liste an. Es folgt Quentin Tarantino mit 4 Nennungen (neben „Pulp
Fiction“ für „Kill Bill: Vol. 2“ (2004)). Hingegen wurde Michael Mann – mit
„Heat“ auf Platz 2 der Filmliste vertreten – mit keinem weiteren Film
nominiert. Dreimal genannt wurden David Fincher (neben „Fight Club“ auch „Panic
Room“ (2002)), Christopher Nolan (neben „Memento“ auch „Inception“ (2010))
sowie Andrei Tarkowski („Andrej Rubljow“ (1969), „Der Spiegel“ (1975) und „Stalker“
(1979)).
Unter den zweimal für unterschiedliche Filme genannten
finden sich die Coen-Brüder („The Big Lebowski“ (1998) und „True Grit“ (2010)),
Roman Polański („Chinatown“ (1974) und „Der Ghostwriter“ (2010)), Martin
Scorsese („Taxi Driver“ (1976) und „Casino“ (1995)) sowie Steven Spielberg („Jäger
des verlorenen Schatzes“ (1981) und „Schindlers Liste“ (1993)), die man allesamt
vielleicht weiter oben vermutet hätte, außerdem John G. Avildsen („Rocky“ (1976)
und „Karate Kid“ (1984)), Danny Boyle („Trainspotting“ (1996) und „Slumdog Millionaire“
(2008)), Peter Jackson („Der Herr der Ringe: Die Gefährten“ (2001) und „Der
Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ (2003)) sowie Robert Zemeckis („Zurück
in die Zukunft“ (1985) und „Forrest Gump“ (1994)).
Jahrzehnte
Aufgrund der filmischen Sozialisierung der meisten
Jurorinnen und Juroren wenig überraschend am stärksten vertreten sind die
1990er-Jahre mit 30 Nennungen, mit Respektabstand gefolgt von den 2000er-Jahren
(21 Nennungen) und den 1970er-Jahren (20 Nennungen). Weiters erfolgten 9
Nennungen von Filmen aus den 1980ern und 6 Nennungen von Filmen aus den
2010ern. Auch genannt wurden Filme aus den 1940ern (5 Nennungen), 1950ern (4
Nennungen) und 1960ern (3 Nennungen) sowie ein Film aus den 1920er-Jahren.
Reihen
17 Filme sind Teil einer Reihe, doch gibt es nur drei Reihen,
die mit mehreren Filmen vertreten sind: Neben den beiden „Pate“-Filmen sind
dies die „Star Wars“-Reihe mit je einer Nennung von „Episode IV – Eine neue
Hoffnung“ (1977, George Lucas) und „Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983,
Richard Marquand) sowie die bereits erwähnten Filme „Die Gefährten“ und „Die
Rückkehr des Königs“ der „Herr der Ringe“-Reihe. Bei den übrigen Filmen wurde
bis auf die zwei Ausnahmen „Batmans Rückkehr“ (1992, Tim Burton) und „Kill
Bill: Vol. 2“ stets der erste Teil einer Reihe genannt.
Animation
Überraschend hoch fällt die Nennung von Animationsfilmen
aus. Sie liegt mit zehn Nennungen bei 10 Prozent. Neben den je zweimal nominierten
Filmen „Der König der Löwen“ und „Die Monster AG“ wurden außerdem „Feivel, der
Mauswanderer“ (1986, Don Bluth), „Die letzten Glühwürmchen“ (1988, Isao
Takahata), „Toy Story“ (1995, John Lasseter, Andrew Stanton), „Ratatouille“
(2007, Brad Bird, Jan Pinkava), „Kung Fu Panda“ (2008, Mark Osborne, John
Stevenson) und „Ich – Einfach Unverbesserlich“ (2010, Pierre Coffin, Chris
Renaud) genannt.
Abschließend sei noch auf zwei Artikel in der diesjährigen
Juni-Ausgabe von „Sight & Sound“ hingewiesen, die sich im Vorfeld der
anstehenden Umfrage sehr kritisch mit der Frage auseinandersetzten, was es
bedeute, Filme in einen kanonischen Status zu hieven (Nick Roddick: „Canonanonanonanon“,
p. 15) und in Rankings zu pressen (Michael Atkinson: „Listomania“, p. 28–30).
Dinge zu bewerten und miteinander in Beziehung zu setzen liegt in der Natur des
Menschen und macht auch Spaß. Aber man sollte nie vergessen, dass es sich dabei
stets um Momentaufnahmen ohne Absolutheitsanspruch handelt und die gleiche
Umfrage mit den gleichen Personen morgen schon ganz anders ausgehen könnte.
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