31. Dezember 2011

„Margin Call“ (2011, J. C. Chandor)

Die Handlung von „Margin Call“ ist recht simpel: Peter Sullivan (Zachary Quinto), Risikoanalytiker einer namenlosen New Yorker Investmentbank, entdeckt Fehler in der Bewertung von durch Hypotheken gesicherten Wertpapieren, wodurch die Existenz der Bank bedroht ist. Noch in derselben Nacht wird in mehreren, in der Hierarchie der Bank immer weiter hinaufreichenden Sitzungen schließlich eine folgenschwere Entscheidung getroffen: obwohl sie nichts wert sind, sollen die Papiere am nächsten Morgen um jeden Preis verkauft werden.

Dem Regie-Neuling J. C. Chandor gelingt mit einem überragenden Ensemble (u.a. Kevin Spacey, Jeremy Irons, Demi Moore, Stanley Tucci, Simon Baker, Paul Bettany) etwas, was zuvor Oliver Stone mit „Wall Street – Geld schläft nicht“ vergeblich versucht hat: den Untergang von Lehman Brothers und den Beginn der Finanzkrise detailliert und trotzdem verständlich zu erläutern. Zwar hören wir sehr viel unverständlichen Wall Street-Wirtschaftssprech, doch müssen wir uns nicht genieren, wenn sich mehrmals auch die Vorgesetzten mit der Aufforderung „Speak to me in plain English!“ demaskieren.

Phasenweise wirken die Dialoge dieses Kammerspiels wie aus einem Theaterstück; hat man sich allerdings erst einmal daran gewöhnt, dann ist dieser hauptsächlich aus der Interaktion der Schauspieler bestehende Film ein Genuss – wenn auch ein schauriger. Die Anfangssequenz, in der wir miterleben, wie der Reihe nach ein Gutteil der Angestellten entlassen wird, wirkt verstörend, ebenso wie das verschwenderische Eingeständnis eines Verkäufers niederer Ebene, im Vorjahr 76.520 Dollar nur für Alkohol, Tänzerinnen und Huren ausgegeben zu haben.

Ein unglaublich gelungener Kommentar zur Finanzkrise!

28. Dezember 2011

Nachtrag zum Schwerpunkt „Das Geschäft mit dem Film“: „Hall of Mirrors. Hollywood über Hollywood, 1950–62“ im Österreichischen Filmmuseum

Manchmal ärgert man sich, wenn man etwas langfristig plant und einem dann plötzlich jemand zuvorkommt. Selten aber doch kann es aber auch passieren, dass man schneller als die anderen ist. Dieser ungewöhnliche Fall ist nun eingetreten:

Vor zwei Wochen habe ich über den Schwerpunkt „Das Geschäft mit dem Film“ geschrieben und bin dabei nicht nur auf die im Rahmen dieses Schwerpunkts gezeigten Filme sondern auch auf eine Reihe anderer Klassiker eingegangen. Ende letzter Woche lag der Jänner-Spielplan des Österreichischen Filmmuseums in meinem Briefkasten. Unter anderem darin enthalten: Ein Schwerpunkt „Hall of Mirrors. Hollywood über Hollywood, 1950–62“.

Neben den vier von mir genannten Klassikern dieser Zeit werden noch dreizehn weitere Spielfilme gezeigt werden. Eine einmalige Gelegenheit!

27. Dezember 2011

„Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ (2011, Guy Ritchie)

Die etwas verschachtelte Handlung in wenigen Worten: Der Sherlock Holmes ebenbürtige Professor James Moriarty (Jared Harris) steckt hinter allerlei bösen Machenschaften, denen auch die mit Holmes kokettierende Meisterdiebin Irene Adler (Rachel McAdams) zum Opfer fällt. Um einen Weltkrieg zu verhindern, reisen Holmes (Robert Downey jr.) und der frischvermählte Dr. Watson (Jude Law) nach Paris, Heilbronn und schließlich in die Schweiz. Unterstützt werden sie von der Zigeunerin Simza (Noomi Rapace) und Holmes’ Bruder Mycroft (Stephen Fry). Moriarty hat hingegen in Colonel Sebastian Moran (Paul Anderson) einen treffsicheren Erfüllungsgehilfen.

Der zweite Teil von Guy Ritchies „Sherlock Holmes“-Reihe leidet unter den gleichen Problemen wie sein Vorgänger. Konnte der Film aus 2009 jedoch wenigstens als Sittengemälde des Londoner Verbrechermilieus dienen, so fällt dies durch die Reisen in Europa fast vollständig weg. Sherlock Holmes ist hier nun – wie meine Frau treffend festgestellt hat – vollends verzerrt zu einer Art James Bond der Jahrhundertwende, der die Zerstörung der Welt durch einen Krieg der Supermächte verhindern muss. Dabei enthält die Handlung aber leider gar nichts Bewegendes: Zum einen ist die Geschichte, die man in dieser oder ähnlicher Form schon hunderte Male gesehen hat, viel zu einfach und zu früh durchschaubar. Zum anderen lässt unser historisches Wissen um den Ersten Weltkrieg die Illusion eines verhinderten Weltkriegs nicht zu.

Was bleibt ist ein fast etwas dick auftragender Actionfilm mit historischer Kulisse. Wenn man „007 trifft Fin de siècle“ mag, dann kann dieser Film durchaus ganz amüsant sein. Nur mit Sherlock Holmes hat das kaum noch etwas zu tun.

„Sherlock Holmes“ (2009, Guy Ritchie)

Als Vorbereitung auf „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ haben wir uns unlängst erneut den ersten Teil dieser im Entstehen begriffenen Reihe angesehen. Ich muss sagen, ich finde den Film nicht so schlecht, wie manche meiner Bekannten sagen, aber wirklich gut ist er auch nicht. Dabei wären die Voraussetzungen gar nicht so schlecht.

Sherlock Holmes (Robert Downey jr.) und Dr. Watson (Jude Law) versuchen, das mysteriöse Geschehen rund um den scheinbar von den Toten zurückgekehrten Lord Blackwood (Mark Strong) aufzuklären. Unterstützt bzw. sabotiert werden sie dabei von der Meisterdiebin Irene Adler (Rachel McAdams) und dem Polizeiinspektor Lestrade (Eddie Marsan).

Die Neuinterpretation der schon zum Cliché gewordenen Figur des Sherlock Holmes geht absolut in Ordnung. Die erste Hälfte des Films, in der das Umfeld des Detektivs sowie die exotische Londoner Unterwelt präsentiert werden, ist gut gelungen. Doch dann wird die Geschichte wirr und die Action rückt immer mehr in den Vordergrund. Muss es denn sein, dass Holmes seine Fähigkeiten hauptsächlich zur Analyse von Faustkämpfen nutzt?

Ein zwiespältiger Film. Wenn aber schon die Handlung nicht zur Empfehlung herangezogen werden kann, dann können Sie ihn sich doch zumindest wegen der wunderbaren Musik von Hans Zimmer ansehen.

„Somewhere“ (2010, Sofia Coppola)

Die Entscheidung, „Somewhere“ 2010 in Venedig mit dem Goldenen Löwen auszuzeichnen, war nicht unumstritten, zumal Jurypräsident Quentin Tarantino und Regisseurin Sofia Coppola einstmals ein Paar gewesen waren. Auch nach erneutem Schauen bin ich jedoch der Meinung, dass diese Auszeichnung mehr als gerechtfertigt war.

Der erfolgreiche Schauspieler Johnny Marco (Stephen Dorff) verbringt seine Tage gelangweilt und einsam im kalifornischen Chateau Marmont Hotel. Doch erst als er beginnt, sich mehr mit seiner elfjährigen Tochter Cleo (Elle Fanning) auseinanderzusetzen, erkennt er, wie sinnlos sein Leben ist – zumindest ohne seine Tochter.

Dieser Film hat keine besondere Handlung. Szene für Szene werden Episoden erzählt, die nur lose miteinander verbunden sind. Im Gedächtnis geblieben ist mir aus irgendeinem Grund unter anderem eine Aufzugfahrt von Dorff und dem einen Cameo absolvierenden Benicio del Toro. Johnny Marco ist nicht unbedingt bemitleidenswert, aber ihn umgibt eine nachvollziehbare Traurigkeit, die er selbst noch nicht überrissen hat. Möglicherweise bemitleiden wir ihn nicht, aber jedenfalls fühlen wir mit ihm. Und das, obwohl seine Welt uns eigentlich völlig fremd ist.

Coppolas bisherige Spielfilme handelten alle vier von Menschen, die in privilegierten Situationen leben, sich aber nach weniger sehnen. Das wird Coppola manchmal übel genommen. Aber sie erzählt von einer Welt, in die sie als Tochter des Regie-Giganten Francis Ford Coppola hineingeboren wurde. Überheblich? Mag sein. Aber es sind trotzdem Filme, die von Herzen kommen.

Wunderbar in „Somewhere“ sind die schauspielerischen Leistungen von Dorff und Fanning. Bewegend ist die Szene, in der Johnny Marco seiner Tochter – zunächst abwesend, dann beeindruckt – beim Einlaufen zusieht. Ein Film der leisen Töne, und wert, dass man ihn sich ansieht.

„Habemus Papam“ (2011, Nanni Moretti)

Dass dieser Film die Emotionen hochgehen lassen und kontrovers aufgenommen werden kann, durfte ich selbst erfahren, als ich nach dem Kinobesuch auf dem Nachhauseweg mit meiner Frau über ihn diskutierte. Noch einmal möchte ich daher daran erinnern, dass dieser Blog rein subjektiv ist und meine persönlichen Meinungen und Einschätzungen wiedergibt – dass man auch ganz anderer Meinung sein kann, liegt in der Natur der Sache.

Auf dem Konklave wird Kardinal Melville (Michel Piccoli) mit deutlicher Mehrheit zum neuen Papst gewählt. Doch seine Annahme der Wahl hält nicht lange – schon als er auf den Balkon des Petersdoms treten soll, will er nicht mehr. Bis die Angelegenheit geklärt ist, soll die Öffentlichkeit im Unklaren gelassen werden. In ihrer Verzweiflung rufen die Kardinäle sogar den angesehenen Psychoanalytiker Professor Brezzi (Nanni Moretti) zu Hilfe, doch Melville nimmt Reißaus aus dem Vatikan. Schwer depressiv wandelt er inkognito durch Rom.

Zunächst einmal: Der Atheist Moretti macht sich nicht lustig über die Kirche. Zwar bietet vor allem das Kardinalskollegium Anlass für manch komische Szene, doch geschieht dies nie respektlos. Eindrucksvoll wird das Konklave geschildert: So ganz anders als in den zuletzt erschienenen verschiedenen Borgia-Fernsehserien füllt sich die Sixtinische Kapelle in „Habemus Papam“ mit den stummen Schreien „Bitte nicht ich!“ der Kardinäle.

Demgegenüber spielt für Moretti aber auch der Glaube keine Rolle. In diesem bewegenden Film, der grundlegende Fragen des Lebens, Existenzängste und das Gefühl der Unwürdigkeit zum Thema hat, kommt die Frage nach dem Glauben nur sehr am Rande vor. Weder die Religion noch die Psychoanalyse vermögen für Moretti, die entscheidenden Antworten zu geben, wie in diesem Film überhaupt keine Antworten gegeben werden.

Das Ende des Films ist unbefriedigend, doch in gewisser Weise eigentlich auch konsequent. Sieht man von diesem ab, dann hat man einen wunderbaren Film, den man sich unbedingt ansehen sollte.

19. Dezember 2011

„Der Vater meiner Kinder“ (2009, Mia Hansen-Løve)

Vor ein paar Tagen habe ich mir wieder Mia Hansen-Løves „Der Vater meiner Kinder“ angesehen. Bereits im Frühjahr 2010 durfte ich die österreichische Erstaufführung dieses Films mit anschließendem Gespräch mit der Regisseurin im Österreichischen Filmmuseum erleben. Dieses Werk hat mich damals zutiefst gerührt und war eines der Highlights meines Kinojahres 2010. Ich bin sehr froh, dass sich daran auch nach erneuter Betrachtung nichts geändert hat.

Der Filmproduzent Grégoire (Louis-Do de Lencquesaing), gerät bei seinem Einsatz für das Autorenkino immer mehr in finanzielle Bedrängnis. Leidtragende sind seine Frau Sylvia (Chiara Caselli) und seine drei Töchter. Hansen-Løves Film ist zunächst einmal ein realistischer Blick auf das Filmgeschäft und gleichzeitig eine idealistische Hommage ans Kino als Kunst. Außerdem ist er aber auch ein berührendes Familienporträt. Was ihn so beeindruckend macht, ist seine Ehrlichkeit. Obwohl teilweise sehr dramatisch, wirkt hier nichts gekünstelt. So ist die Leistung der beiden jungen Schauspielerinnen Alice Gautier und Manelle Driss bemerkenswert, die zwar manchmal extrem nervig sein können, aber sind Kinder nicht hin und wieder genau so?

Mit der Konzentration auf die älteste Tochter Clémence (Alice de Lencquesaing, die Tochter des Hauptdarstellers) erzählt der Film auch eine Geschichte des Erwachsenwerdens. Die Szene, in der Clémence ein Café betritt und – nach einer Nacht außer Haus endlich „erwachsen“ – einen Kaffee bestellt, aufgrund der undurchsichtigen Vielzahl an verschiedenen Angeboten dann aber doch für eine heiße Schokolade optiert, ist herzerwärmend.

Glauben Sie nicht, dass Sie trockenen Auges an diesem Film vorübergehen können! Von der 1981 geborenen Regisseurin Hansen-Løve, deren zweiter Spielfilm dies ist, wird noch einiges zu erwarten sein. Dieser Film jedenfalls ist ein Muss!

„An American in Paris“ (1951, Vincente Minnelli)

Als Nachbereitung zu „Midnight in Paris“, den ich vor kurzem im Kino gesehen habe, stand nun „An American in Paris“ am Programm. Ich weiß nicht, was es ist, aber während ich Musical- und Tanzfilmen jüngeren Datums so gut wie gar nichts abgewinnen kann, üben die Klassiker dieses Genres aus den 40er-, 50er- und 60er-Jahren eine merkwürdige Faszination auf mich aus. Dabei weist die Handlung von „An American in Paris“, der 1952 den Oscar als Bester Film erhielt, eigentlich einige Schwächen auf und gerät im Vergleich mit anderen Musicals meiner Meinung nach manchmal ins Hintertreffen: In Paris schlagen sich der amerikanische Maler Jerry Mulligan (Gene Kelly) und der mit ihm befreundete Pianist Adam Cook (Oscar Levant) eher schlecht als recht durch. Die Situation ändert sich, als Jerry plötzlich von der reichen Milo Roberts (Nina Foch) protegiert wird und sich in die  Parfümverkäuferin Lise Bouvier (Leslie Caron) verliebt. Doch die eine stellt ihm nach und die andere ist mit seinem Freund Henri Baurel (Georges Guétary), einem französischen Sänger, verlobt.

Getragen wird der Film außer von Kellys Tanzkünsten vor allem von den Liedern George Gershwins wie „I Got Rhythm“ und „‛S Wonderful“, die fast fünfzehn Jahre nach dem Tod des Komponisten zu einem Ganzen zusammengewoben wurden. Und die 16-minütige Ballettsequenz zum titelgebenden Stück Gershwins am Ende des Films ist vielleicht nicht so überwältigend, wie jene in Powells und Pressburgers „The Red Shoes“, aber einfach nur schön. Irgendetwas hat dieser Film.

16. Dezember 2011

„Die Höhle der vergessenen Träume“ (2010, Werner Herzog)

Bei 3D spalten sich die Geister. Ich war ein großer Skeptiker dieses Hypes der letzten Jahre und hatte bislang noch keine gute und sinnvolle Verwendung dieser Technik erlebt. Doch dann sah ich vor ein paar Wochen den Dokumentarfilm „Die Höhle der vergessenen Träume“ im Kino. Das Erlebnis war überwältigend.

Wenn Sie nicht gerade in einen Kinosaal mit einer etwas hyperaktiven Schulklasse geraten, dann kann sich der Film zu einem unglaublichen Erlebnis entwickeln. Unglaublich wohl auch deshalb, weil man nicht vermuten würde, wie gut sich 3D auch bei einer Dokumentation über steinzeitliche Höhlenmalerei macht.

Werner Herzog nimmt uns mit in die Chauvet-Höhle in Südfrankreich, die erst 1994 entdeckt wurde und Wandbilder enthält, welche 32.000 bis 35.000 Jahre alt und damit die ältesten bekannten Höhlenmalereien und -zeichnungen der Welt sind. Er braucht weder viele Worte noch viele Aufnahmen, und auch ein Erzählstrang ist kaum notwendig. Über weite Strecken sehen wir mit leiser Musik unterlegt oder in absoluter Stille ewig lange Einstellungen der immer wieder gleichen Bilder. Und es genügt uns.

Alle übrigen Informationen, die uns gegeben werden, sind nett, aber nicht wichtig. Das Ende überrascht und regt zum Nachdenken an, doch wir würden auch ohne auskommen. Faszinierend in vielerlei Hinsicht. Schauen Sie sich „Die Höhle der vergessenen Träume“ unbedingt an, solange es noch im Kino läuft!

„Jane Eyre“ (2011, Cary Fukunaga)

Ob die Verfilmung eines Buches, noch dazu eines Klassikers, der Vorlage je gerecht werden kann, ist eine Streitfrage, die wohl nie beantwortet werden wird. Ich neige dazu, diese Frage vollkommen auszuklammern. Ein Buch ist ein Buch, ein Film ist ein Film und als solcher ein eigenständiges Werk. Dieser Vergleich lohnt sich meist nicht. Somit müsste man die neue „Jane Eyre“-Verfilmung eigentlich mit den bisherigen Verfilmungen, von denen es einige gibt, vergleichen; da ich aber bisher sonst keine gesehen habe, ist mir auch dies nicht möglich. Daher möchte ich Cary Fukunagas „Jane Eyre“ für sich allein betrachten.

Der Film ist gut gemacht, der Aufbau des Spannungsbogens funktioniert nicht zuletzt durch die Vermengung der zeitlichen Ebenen mittels Rückblenden; leider geht ihm irgendwann die Luft aus, die letzte halbe Stunde zieht sich etwas. Einzelne Szenen im Garten von Thornfield Hall erinnerten mich an die Schlusssequenz von Terrence Malicks „The New World“. Doch Jane Eyre ist nicht Pocahontas. Mia Wasikowska als Titelheldin erweckt mit ihrem Drang nach Überschreitung des eigenen Horizonts Erinnerungen an ihre Darstellung der Alice in Tim Burtons „Alice im Wunderland“. Obwohl jener Film eigentlich schlecht war, verfolgte er diesen Gedanken aber konsequenter. Jane Eyre ist 2011 keine Feministin mehr – sie zeigt zum Ende ärgerlicherweise fast schon antifeministische Tendenzen.

Michael Fassbender, derzeit der Schnittlauch auf einigen Suppen, hat schon bessere Darbietungen geliefert als seinen Rochester. Judi Dench agiert als Mrs. Fairfax souverän zurückhaltend. Jamie Bell als St. John hatte den Nachteil, dass er bei mir ständig Assoziationen an Skispringer Thomas Morgenstern erweckt hat.

Als Verfilmung eines Klassikers durchaus sehenswert, aber erwarten Sie sich nicht zu viel.

15. Dezember 2011

„The Fog of War“ (2003, Errol Morris)

Vor ein paar Tagen hatte ich am Spätnachmittag ein bisschen freie Zeit, bevor es zu einem Abendtermin ging, und aus irgendeinem Grund finde ich, dass in einer solchen nachmittäglichen Situation Dokumentationen besser als Spielfilme geeignet sind, die Zeit zu vertreiben. Die DVD von „The Fog of War“ hatte ich mir im Rahmen einer Aktion gekauft, ohne wirklich etwas darüber zu wissen.

Basismaterial des Dokumentarfilms „The Fog of War“ ist ein Interview mit Robert McNamara, dem 2009 verstorbenen Verteidigungsminister unter den US-Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson und damit einem der wichtigsten Strategen des Vietnamkrieges. Vietnam nimmt daher wenig überraschend einen gewichtigen Teil des Films ein. Gerade bezüglich dieser umstrittensten Zeit seines Lebens bleibt der Interviewte allerdings sehr verschlossen. Das, was nicht gesagt wird, ist dabei genauso interessant wie das, was gesagt wird. Auch wenn sich McNamara offiziell keiner Schuld bewusst sein will, gibt er immer wieder Fehler zu und äußert auch einige sehr kritische Worte über die Kriegsführung im Allgemeinen. Fast aufschlussreicher ist jedoch die erste Hälfte der Dokumentation, in der McNamara über die Zwischenkriegszeit und seine Tätigkeit während des Zweiten Weltkriegs redet, als er mathematische Modelle für die Bombardierung Japans entwickelte.

Als Nebel des Krieges bezeichnet man die Tatsache, dass ein Großteil der zur Kriegsführung notwendigen Informationen meist ungewiss oder unbekannt ist. Der englische Untertitel des Films lautet „Eleven Lessons from the Life of Robert S. McNamara“. Diese von Regisseur Errol Morris gewählten Lektionen wirken vereinzelt zwar leicht konstruiert, die Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Kriegen, die der 86-jährige McNamara, einst selbst Akteur des Krieges, äußert, geben aber sehr zu denken. Die Dokumentation entstand übrigens 2003 genau zu Beginn des Irakkrieges; retrospektiv kommen einem viele Dinge wie ein Déjà-vu vor. „The Fog of War“ wurde als Bester Dokumentarfilm mit dem Oscar ausgezeichnet.