13. Oktober 2012

„We Need to Talk About Kevin“ (2011, Lynne Ramsay)

Was kann eine Mutter tun, wenn ihr eigenes Kind sie hasst? Wenn alle Versuche, dem Kind liebevoll entgegenzutreten, ignoriert werden? Wenn das Kind einem das Leben zur Hölle macht? Keine leichten Fragen, die in „We Need to Talk About Kevin“ aufgeworfen werden. Und ehrlicherweise müssen wir uns eingestehen, dass es keine Lösung gibt, die wir nicht in irgendeiner Weise als unmoralisch und verwerflich empfinden würden.

Schon lange nicht mehr habe ich mich bei einem Film so unwohl gefühlt. Es ist ein Gefühl der Hilflosigkeit, dass einen mit Eva Khatchadourian (Tilda Swinton) mitleiden lässt, wenn ihr Sohn Kevin (Jasper Newell bzw. Ezra Miller) ihr auf der Nase herumtanzt, während ihr Mann Franklin (John C. Reilly) die Situation verkennt. Dies ist fast noch unerträglicher als das Bewusstsein um den Ausgang des Films, der lange nicht explizit ausgesprochen wird, sich aber doch bereits früh aufgrund von Rückblenden und Reaktionen von Personen ankündigt, weshalb ich hier ausnahmsweise einen SPOILER bringe: Kevin packt ganz unscheinbar eines Tages seinen Turnierbogen ein, verschließt die Türen seiner Schule mit Fahrradschlössern und verübt ein Massaker an seinen Mitschülern.

Ein Aspekt des Films bleibt mir unverständlich: Warum wird Eva nach der Tat von anderen Müttern angefeindet und mitverantwortlich gemacht? Sie hat doch selbst auch mit Verlusten zu kämpfen. Vielleicht aber ist gerade dies ein realistisches Bild der (häufig unlogischen) Verurteilungen, denen manche Menschen ausgesetzt sind, vor allem, aber nicht nur, im Milieu eines verlogenen „Desperate Housewives“-Vorstädtertums. Ansonsten aber kann man gar nicht anders als den Film zu verstehen – auch wenn man es manchmal lieber nicht tun sondern sich seine Blauäugigkeit bewahren wollen würde.

11. Oktober 2012

„Looper“ (2012, Rian Johnson)

Das Jahr 2044: Joe (Joseph Gordon-Levitt) ist ein sogenannter Looper, ein Auftragskiller, der Personen verschwinden lässt, die von einem Verbrechersyndikat aus der Zukunft per Zeitreise in seine Gegenwart gesandt werden. Das Geschäft läuft gut, problematisch wird es für ihn allerdings, als eines Tages sein dreißig Jahre älteres Ich (Bruce Willis) vor ihm steht.

Die Kurzzusammenfassung von „Looper“, in dem auch Jeff Daniels, Paul Dano und Emily Blunt zu sehen sind, liest sich wie die Beschreibung einer furchtbaren 08/15-Action-Dystopie. Ja, die Handlung wirkt ein wenig wie ein Flickwerk aus verschiedenen Klassikern des Science-Fiction-Genres: vor allem ein starker Einfluss von „Terminator 2“ (1991) lässt sich nicht bestreiten; andere Einstellungen erinnern wiederum frappant an „Das Omen“ (1976). Und ja, Zeitreisen in Filmen sind meist problematisch und lassen viele Fragen unbeantwortet oder gar unlogisch erscheinen (wenngleich diese Problematik im Film auch explizit angesprochen und als nebensächlich abgetan wird). Aber was soll’s – der Film hat mir gut gefallen!

Gordon-Levitt, Willis und Daniels liefern gute Leistungen, wobei man betonen muss, dass es im Film wohl keine einzige wirklich sympathische Person gibt. Die Action ist nicht übertrieben, ebenso wenig wie die technischen Ausstattungen der Zukunft, und es wird einem auch kein sinnloses 3D aufgezwungen. Die Handlungsweisen und -motivationen der einzelnen Personen sind durchaus nachvollziehbar. Und der Film ist absolut spannend, weil die Geschehnisse meist nicht sofort vorhersehbar sind. Was will man mehr von einem Film, der zum Unterhalten gedacht ist?

„Holy Motors“ (2012, Léos Carax)

Die Menschen wollen keine Handlung mehr. Diese Feststellung steht am Ende von „Holy Motors“. Ob ich dem nun, nachdem ich den Film gesehen habe, wirklich zustimmen kann, bin ich mir nicht wirklich sicher.

Monsieur Oscar (Denis Lavant) hat einen etwas eigenartigen Beruf: er wird den ganzen Tag und die ganze Nacht von der Chauffeurin Céline (Édith Scob) in einer weißen Stretchlimousine quer durch Paris von Auftrag zu Auftrag gefahren. Jedes Mal schlüpft er in eine andere Rolle, wofür ihm unzählige Verkleidungen und Gesichtsteile zur Verfügung stehen. Mal muss er nur als alter Mann auf einer Brücke betteln, mal stehen auch Morde auf der Agenda; so begegnen ihm die unterschiedlichsten Menschen (u. a. Michel Piccoli, Eva Mendes, Kylie Minogue). Wie seine Begegnungen jedoch in Zusammenhang stehen, das erschließt sich mir leider nicht.

Regisseur Léos Carax, der in einem Prolog auch selbst auftritt (Achten Sie außerdem auf den Mittelteil seines Vor- und Nachnamens!), hat einen durch und durch surrealistischen Film geschaffen, der gar nicht die Absicht hat, logisch und verständlich zu sein. Wenn man sich darauf einlässt, dann ist das sicher eine tolle Erfahrung. Mir ist das nicht gelungen, und so kann ich nur auf einzelne interessante Episoden und eine gelungene Kameraarbeit blicken, während ich mit dem Film in seiner Gesamtheit nicht viel anfangen kann. Schade.