29. August 2012

„360“ (2012, Fernando Meirelles)

Da kann man noch so abgeklärt sein und sich als Weltmensch geben – wenn die eigene Heimatstadt in einer internationalen Filmproduktion eine ganz wesentliche Rolle einnimmt, dann wird man schnell zum Lokalpatrioten. So war es schon allein deshalb ein Gebot der Stunde, sich Fernando Meirelles’ neuesten Film „360“ im Kino anzusehen. Dass dieser dann auch noch eine moderne Adaptierung von Arthur Schnitzlers „Reigen“ ist, machte den Kinobesuch zu einer angenehmen Pflicht.

Ausgangspunkt ist Wien, wo eine junge Slowakin (Lucia Siposová) von einem skrupellosen österreichischen Zuhälter (Johannes Krisch) in die Prostitution gelockt wird. Mit ihrem ersten Kunden, einem britischen Handlungsreisenden (Jude Law), beginnt sich der Reigen zu drehen, der uns nach London, Paris, Denver und wieder retour nach Wien führt. Teilnehmer dieses Tanzes sind unter anderem ein deutscher Geschäftsmann (Moritz Bleibtreu), eine britische Moderadakteurin (Rachel Weisz), ein brasilianischer Photograph (Juliano Cazarré) und dessen Freundin (Maria Flor), ein alter Mann auf der Suche nach seiner verschwundenen Tochter (Anthony Hopkins), ein Sexualstraftäter (Ben Foster), ein algerisch-französischer Zahnarzt (Jamel Debbouze), dessen russische Assistentin (Dinara Drukarova), deren für die Mafia arbeitender Ehemann (Vladimir Vdovichenkov) sowie die Schwester der eingangs erwähnten Prostituierten (Gabriela Marcinkova).

Schon allein aufgrund der Form des ursprünglichen Theaterstücks wäre „360“ prädestiniert gewesen, sich in die Gruppe unzähliger Episodenfilme zum Thema Liebe einzureihen, wie sie in den letzten Jahren, ausgehend von „Paris, je t’aime“ (2006), stark in Mode gekommen sind. Glücklicherweise ist die Handlung, für welche Drehbuchautor und Wahlwiener Peter Morgan verantwortlich zeichnet, um einiges komplexer, als sie für einen einfachen Episodenfilm sein dürfte. Irgendwie sind hier nämlich alle mit allen verbunden. Auch trennt sich „360“ ein wenig vom rein sexuellen Akt als Verbindungsstück und spinnt seine Erzählung auf ganz unterschiedlichen Ebenen dessen, was Liebe bedeuten kann.

Zugegeben, der Film hat manchmal auch seine Längen. Doch dafür entschädigen nicht nur die erfrischend ungewohnten Einstellungen von Wien, das unter den verschiedenen Handlungsorten eindeutig die bevorzugte Stellung einnimmt. „360“ steht und fällt, wie alle Ensemblefilme, mit den Leistungen seiner Schauspielerinnen und Schauspieler – und diese sind durch die Bank hervorragend.

Meirelles’ Film ist vielleicht kein Highlight dieses Jahres, aber sehenswert ist er allemal.

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