Sie sind da! Seit ungefähr zwei Jahren
freue ich mich darauf und nun ist es soweit: In der aktuellen Ausgabe von
„Sight & Sound“ werden die Ergebnisse der alle zehn Jahre durchgeführten
Umfrage nach den besten Filmen aller Zeiten präsentiert und genauestens analysiert.
Die Top 10-Listen gelten in der Fachwelt aufgrund des Renommees der Zeitschrift
und des Alters der Umfrage (seit 1952) als die aussagekräftigste Einschätzung
dessen, was der ultimative Filmkanon ist bzw. sein soll. Auch außerhalb eines
eingeschworenen Filmliebhaberkreises berüchtigt ist die Rolle von Orson Welles’
„Citizen Kane“ (1941), der die Liste seit 1962 anführt.
Das Prozedere war das folgende: Kritiker, Programmmacher, Akademiker, Verleiher, Publizisten und andere Cinephile (unter Regisseuren gibt es seit 1992 eine eigene S&S-Liste, deren Ergebnis ich zur besseren Lesbarkeit meines Beitrags und aufgrund ihrer geringeren Bedeutung hier nicht behandeln werde) wurden eingeladen, zehn Filme in beliebiger Reihenfolge zu nennen, die aus ihrer Sicht die besten sind. Die Definition dessen, was das Beste ist, wurde jedem persönlich überlassen – Kriterien konnten die Bedeutung für die Filmgeschichte, die ästhetische Bravur oder der Einfluss auf die jeweils eigene Sichtweise des Kinos sein. Im Gegensatz zu früheren Umfragen sollten Filme einer Reihe erstmals eigenständig behandelt werden (wie übrigens auch bei der von mir im Frühjahr durchgeführten Umfrage). Die Summe der zunächst nicht gereihten Nennungen eines Filmes ergab die Platzierung innerhalb der Liste. Die Zahl der Jurorinnen und Juroren wurde von S&S diesmal radikal erweitert: Statt 145 eingelangten Einzellisten im Jahr 2002 waren es dieses Mal 846 (insgesamt wurden ca. 1.000 Personen zur Teilnahme eingeladen), wobei auch eine bewusste Erweiterung des Spektrums angestrebt wurde. Aufgrund dieser höheren Teilnehmerzahl – es wurden dadurch insgesamt 2.045 verschiedene Filmtitel genannt – konnte die Liste von einer Top-10-Liste zu einer Top-100-Liste ausgebaut werden.
Das Prozedere war das folgende: Kritiker, Programmmacher, Akademiker, Verleiher, Publizisten und andere Cinephile (unter Regisseuren gibt es seit 1992 eine eigene S&S-Liste, deren Ergebnis ich zur besseren Lesbarkeit meines Beitrags und aufgrund ihrer geringeren Bedeutung hier nicht behandeln werde) wurden eingeladen, zehn Filme in beliebiger Reihenfolge zu nennen, die aus ihrer Sicht die besten sind. Die Definition dessen, was das Beste ist, wurde jedem persönlich überlassen – Kriterien konnten die Bedeutung für die Filmgeschichte, die ästhetische Bravur oder der Einfluss auf die jeweils eigene Sichtweise des Kinos sein. Im Gegensatz zu früheren Umfragen sollten Filme einer Reihe erstmals eigenständig behandelt werden (wie übrigens auch bei der von mir im Frühjahr durchgeführten Umfrage). Die Summe der zunächst nicht gereihten Nennungen eines Filmes ergab die Platzierung innerhalb der Liste. Die Zahl der Jurorinnen und Juroren wurde von S&S diesmal radikal erweitert: Statt 145 eingelangten Einzellisten im Jahr 2002 waren es dieses Mal 846 (insgesamt wurden ca. 1.000 Personen zur Teilnahme eingeladen), wobei auch eine bewusste Erweiterung des Spektrums angestrebt wurde. Aufgrund dieser höheren Teilnehmerzahl – es wurden dadurch insgesamt 2.045 verschiedene Filmtitel genannt – konnte die Liste von einer Top-10-Liste zu einer Top-100-Liste ausgebaut werden.
Die besten zehn Filme aller Zeiten laut
diesjähriger Umfrage sind:
Platz
1: „Vertigo“ (1958, Alfred Hitchcock) [191
Nennungen]
Platz
2: „Citizen Kane“ (1941, Orson Welles) [157]
Platz
3: „Die Reise nach Tokyo“ (1953, Yasujirō Ozu) [107]
Platz
4: „Die Spielregel“ (1939, Jean Renoir) [100]
Platz
5: „Sonnenaufgang – Lied von zwei Menschen“ (1927, F. W. Murnau) [93]
Platz
6: „2001: Odyssee im Weltraum“ (1968, Stanley Kubrick) [90]
Platz
7: „Der Schwarze Falke“ (1956, John Ford) [78]
Platz
8: „Der Mann mit der Kamera“ (1929, Dziga Vertov) [68]
Platz
9: „Die Passion der Jungfrau von Orléans“ (1927, Carl Theodor Dreyer) [65]
Platz
10: „Achteinhalb“ (1963, Federico Fellini) [64]
Die wohl bemerkenswerteste Tatsache dieses
Ergebnisses ist der Umstand, dass die genannten Filme trotz der umfassenden
Erweiterung und Veränderung der Jury im Prinzip die gleichen geblieben sind.
Von den Filmen, die 1982, 1992 bzw. 2002 in den Top-10-Listen waren, sind fast
alle dieses Jahr zumindest unter den Top 20. Große Ausnahme sind „Der Pate“
(1972, Francis Ford Coppola) und „Der Pate – Teil II“ (1974, Francis Ford
Coppola), die durch ihre (zurecht erfolgte) Behandlung als zwei verschiedene
Filme nun leider nur noch Platz 21 bzw. Platz 31 belegen (nach altem Schema
wären sie auf Platz 7 gelegen). Von den diesjährigen Top 10 waren sieben auch
in der letzten Liste vertreten, zwei weitere zwar nicht 2002, aber immerhin
noch 1992, und lediglich ein Film, nämlich „Der Mann mit der Kamera“, noch nie
unter den ersten zehn. In gewisser Weise ist dies schön, unterstreicht es doch
auch die Aussagekraft der bisherigen Umfrageergebnisse.
Persönlich finde ich das Resultat der
Umfrage äußerst spannend, lassen sich doch noch eine ganze Reihe von
Beobachtungen anstellen. Von den Top 10 habe ich bisher leider nur vier Filme
sehen können, was verhältnismäßig auch der Top-100-Liste entspricht (39 von 100
Filmen). Zwar wird meine Aufarbeitung in Kürze beginnen, doch wird hier bereits
ein Problem der Liste (der bisherigen wie auch der gegenwärtigen) sichtbar, jenes
der Zugänglichkeit. „Die Spielregel“ und „Sonnenaufgang“ sind derzeit beispielsweise
gar nicht auf DVD erhältlich, andere Filme nur mit Mühen und zu nicht geringem
Preis zu beschaffen.
Doch auch zwei Worte der Enttäuschung seien
hier ausgesprochen. Zum einen betrifft diese die Alterstruktur der Filme. Ich
bin auch der Meinung, dass sich Filme erst eine gewisse Zeit bewähren müssen,
bevor sie ohne Bedenken in einen Allzeit-Kanon aufgenommen werden können. Dass
der jüngste Film in den Top 10 aus dem Jahr 1968 ist, finde ich deshalb auch
gar nicht so schlimm. Irritierend finde ich aber, dass die gesamten letzten 30
Jahre leicht unterrepräsentiert sind. In den Top 100 sind nur sechs Filme aus
den 1980er-Jahren (nur drei nach 1982), fünf Filme aus den 1990ern und drei
Filme aus den 2000ern; ergibt in Summe elf Filme der letzten 30 Jahre!
Enttäuschend finde ich aber auch die ganz konkrete Reihenfolge der Top 10. Ich
liebe „Citizen Kane“, hätte aber durchaus Verständnis für seine Ablöse haben
können. Aber „Vertigo“?! Auch dieser ohne Frage ein guter Film. Doch schon
unter den Hitchcock-Filmen bevorzuge ich einige andere, allen voran natürlich
„Das Fenster zum Hof“ (1954). Keinesfalls aber ist „Vertigo“ meiner Meinung
nach besser als „Citizen Kane“. Dieser hätte es durchaus verdient, von einem
anderen Film vom Thron gestoßen zu werden!
Zum Abschluss möchte ich aber doch noch
versöhnliche Töne anschlagen: Man mag solchen kanonischen Listen kritisch
gegenüberstehen– gerade S&S ist hier durchaus sehr selbstreflexiv – aber
unbestreitbar haben sie einen Aussagewert über das heutige Filmverständnis.
Auch wenn man mit den Ergebnissen im Einzelnen oder im Gesamten nicht zufrieden
sein mag, so lohnt es sich meiner Meinung nach für den filmliebenden Menschen doch,
sie als Richtschnur für das eigene Betrachtungsprogramm heranzuziehen.
In der aktuellen Ausgabe (September 2012)
widmet Sight & Sound der Umfrage ganze 32 Seiten, doch auch auf der Homepage der Zeitschrift kommt die Aufarbeitung mit Gesamt- und Detailergebnissen (inklusive sämtlicher Einzelnennungen, ab 15. August 2012) und Analysen nicht zu kurz.
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