18. November 2012

„Un amour de jeunesse“ (2011, Mia Hansen-Løve)

Irgendwann in der zweiten Hälfte des Films kommt die Protagonistin mit ihrer Jugendliebe aus einem Kino. Er bezeichnet den gesehenen Film als typisch französisch: es wird nur geredet und es gibt viel zu viele stille Sequenzen, in denen gar nichts passiert. Sie attestiert ihm, den Film nicht verstanden zu haben. Beide Einschätzungen werden als legitim dargestellt. Der oder die eine kann etwas mit dem Film anfangen, jemand anderer wiederum nicht. Vielleicht ist mein Urteil ja getrübt, weil ich die junge französische Regisseurin Mia Hansen-Løve bereits in zwei Publikumsgesprächen als höchst sympathische Person erleben durfte und auch schon einen freundlichen Briefwechsel mit ihr hatte: Ich begebe mich aber mit Überzeugung in das Lager derer, die ihren dritten Spielfilm „Un amour de jeunesse“ als sehenswert einstufen!

In der ersten Hälfte des Films sehen wir die Höhen und Tiefen der Liebesbeziehung zwischen der fünfzehnjährigen Schülerin Camille (sehr mutig: Lola Créton) und dem etwas älteren Studenten Sullivan (Sebastian Urzendowsky). In der zweiten Hälfte erleben wir das langsame Heranreifen Camilles als Architekturstudentin, unterstützt durch ihren norwegischen Lehrer Lorenz (Magne Håvard Brekke), und ihre Emanzipation als junge Architektin.

Hansen-Løve hat selbst keinen Zweifel daran gelassen, dass „Un amour de jeunesse“ wie schon ihre beiden ersten Filme, aber diesmal noch viel intensiver, voll von autobiographischen Elementen ist – eigentlich müsste man lediglich Architektur durch Film ersetzen. Auch die Beziehung zu einem deutlich älteren Mann – Hansen-Løve ist mit Regisseur Olivier Assayas liiert – ist ihrem eigenen Leben entnommen. Ein Problem, dass ich mit dem Film habe, ist das in Literatur und Film omnipräsente Thema der verbotenen Liebe. Warum ist eine Affäre, die auf Betrug aufbaut und dazu geschaffen ist, eine andere Liebesbeziehung zu zerstören, in unserer Gesellschaft angeblich etwas so Romantisches? Dieses Element hätte mir den Film fast verdorben. Die Regisseurin hat ihre drei bisherigen Filme als eine Art Trilogie bezeichnet, in der es vordergründig um das Erwachsenwerden geht, das eigentliche Hauptthema allerdings das Erlangen von Freiheit ist. Eben diese Befreiung der Protagonistin war es, die mich letztendlich jedoch wieder versöhnlich gestimmt hat.

„Un amour de jeunesse“ hat in Österreich im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern leider keinen regulären Kinostart erleben dürfen. Ich selbst durfte den Film bei der ersten seiner einzigen beiden Vorstellungen im Filmmuseum erleben. Wer jedoch die Chance haben sollte, sich den Film auf anderem Wege anzusehen, sollte dies auch tun!

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