Es gibt wenige Filme, die ich so häufig gesehen habe, wie Francis Ford Coppolas drei Filme der „Pate“-Trilogie. Die ersten beiden Teile zählen zu meinen persönlichen
Top 3 (neben Michael Manns „Heat“ (1995)). In meiner Jugend waren sie es wohl,
die mein Interesse für den Film als Kunstform geweckt haben. Gleichzeitig habe
ich sie in den unterschiedlichsten Situationen gesehen: auf Deutsch, im
englischen Original, am Silvesterabend mit Kommentar des Regisseurs; den ersten
Teil habe ich sogar am Vorabend meiner Hochzeit geschaut. Nach einem Sommer
voller Bestenlisten und den daraus resultierenden Fragwürdigkeiten war ich nun
gespannt, ob sich meine Wert- bzw. Einschätzung der beiden früheren Filme möglicherweise
zum Schlechteren geändert haben könnte. Oder ob ich gar plötzlich mit Teil III mehr anfangen können
würde! Immerhin haben sich meine Sehgewohnheiten in den letzten Jahren deutlich
geändert. Konnte ich früher nur sagen „ein Film gefällt mir gut“ oder „ein Film
gefällt mir schlecht“, habe
ich es in den letzten Jahren mit meinen bescheidenen Mitteln doch zumindest
versucht, analytisch an Filme heranzugehen. So kam es vor zwei Wochen zu einem
Showdown zwischen mir und den drei „Pate“-Filmen. Und was soll ich sagen? „Der
Pate“ und „Der Pate – Teil II“ haben wie zu erwarten war obsiegt. Teil III
hingegen ist wenig überraschend stehend K.O. gegangen.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es noch Menschen gibt,
die diese Filme noch nicht gesehen haben, ein kurzer Überblick darüber, worum
es geht: Im ersten Teil lernen wir im Jahr 1945 den italo-amerikanischen
Mafioso Vito Corleone (Marlon Brando) kennen, von Freunden wie Untergebenen ehrfurchtsvoll
Pate genannt. Er ist das Oberhaupt
einer der einflussreichen New Yorker Mafiafamilien, die uns in einer der großartigsten
Anfangssequenzen der Filmgeschichte Person für Person vorgestellt wird. Da gibt
es die gütige Mama Carmela (Morgana King); den jähzornigen und sexuell
umtriebigen ältesten Sohn Sonny
(James Caan); den gutherzigen aber etwas einfachen mittleren Sohn Fredo (John
Cazale); den eben aus dem Krieg heimgekehrten jüngsten Sohn Michael (Al
Pacino), der sich von den Machenschaften seiner Familie distanzieren möchte; seine blauäugige Freundin Kay Adams (Diane
Keaton); die frischvermählte Tochter Connie (Talia Shire) und ihren Ehemann
Carlo Rizzi (Gianni Russo); den Adoptivsohn Tom Hagen (Robert Duvall), Anwalt
und Consigliere der Familie; die beiden Capos, den lebenslustigen Peter
Clemenza (Richard S. Castellano) und den ruhigeren Sal Tessio (Abe Vigoda).
Während sich die Handlung des Films entwickelt, erleben wir die
Schicksalsschläge und die Umstände, die den eigentlich für eine Karriere
außerhalb der Mafia vorgesehenen Michael zusehends in die Rolle des Nachfolgers
drängen.
In Teil II hat Michael im Jahr 1958 im Bemühen um Legalität
das Zentrum der Familie Corleone nach Nevada verlegt. Neue Handelnde sind die
Capos Al Neri (Richard Bright), Rocco Lampone (Tom Rosqui) und Frank Pentangeli
(Michael V. Gazzo) sowie der jüdische Gangster Hyman Roth (Lee Strasberg).
Parallel zu Unternehmungen in Kuba am Vorabend der Revolution sind Rückblenden
auf den Werdegang des jungen Vito (Robert De Niro) – teilweise genial –
montiert.
Teil III zeigt einen gealterten Michael im Jahr 1979, der
bemüht ist, seine Familie durch Geschäfte mit dem Vatikan reinzuwaschen. Neu
treten seine erwachsenen Kinder Anthony (Franc D’Ambrosio) und Mary (Sofia
Coppola), sein Anwalt B. J. Harrison (George Hamilton), sein alter Freund Don Altobello
(Eli Wallach) und sein ungestümer Neffe Vincent Mancini (Andy Garcia) hinzu.
„Der Pate“ war nie als Trilogie angelegt, sondern eigentlich
nur als Einzelfilm, wenngleich Teil II – von Paramount Pictures aufgrund des
großen finanziellen und kritischen Erfolgs des ersten Teils initiiert – auch
auf Elemente des Originalromans von Mario Puzo zurückgreift. Die Verzahnung
dieser beiden Filme ist aber so gut gelungen, dass man mit Fug und Recht von
einem Ganzen sprechen kann. Hingegen ist der ungeliebte dritte Teil, den
Coppola 16 Jahre nach Teil II aus Geldnot zu drehen gezwungen war und dem er
eigentlich einen anderen Titel geben wollte, ein Fremdkörper; eines seiner Probleme
ist, dass er einen Abschluss der Saga sucht, der bereits mit Teil II
vorgenommen wurde. Ich wollte ihm noch eine Chance geben, doch ich muss leider
feststellen, dass der Film in meiner Gunst noch weiter gesunken ist. Ich möchte
daher im noch Folgenden nicht mehr weiter auf ihn eingehen und meine
Ausführungen auf die beiden früheren Teile beschränken.
Was mich – ganz subjektiv – am ersten Teil fasziniert ist
seine Makellosigkeit. Obwohl mit fast drei Stunden durchaus kein kurzer Film,
gibt es in ihm doch praktisch keine überflüssige Szene, keine unnötigen Längen.
Jede Einstellung hat ihren Sinn, ebenso jeder gesprochene Satz, und mag er noch
so trivial erscheinen. Mehr noch, aus fast jeder Szene gibt es ein Zitat, das
in irgendeiner Weise Kultfaktor erlangt hat. Dabei geht es nicht nur darum, die
Handlung voranzutreiben, sondern ein ausuferndes Sittenbild zu zeichnen. In
diesem Universum hat jede noch so kleine Nebenfigur ihre Geschichte. Teil II
ist zwar unbestreitbar ebenfalls ein Meisterwerk, es fehlt ihm aber meiner
Meinung nach die Dichte des ersten Teils. Ein Disput unter Liebhabern ist ja
die Frage, ob nun der erste oder der zweite Teil der bessere ist. Befürworter
von Teil II verweisen meist auf dessen Struktur mit zwei unterschiedlichen Zeitebenen.
Ich persönlich entscheide mich aber für den ersten Teil.
Die Rolle Michaels bzw. seine Einschätzung hat in meinem
Freundeskreis schon für heftige Diskussionen gesorgt. Unbestreitbar ist, dass
er in eine Rolle gedrängt wird, die er nicht angestrebt hat. Aber es stellt
sich doch die Frage, in wessen Interesse er handelt, sobald er an der Macht ist
– in dem seiner Familie oder doch in seinem eigenen? Auffälligerweise sind,
zumindest in meinem Umfeld, Frauen meist gnädiger mit Michael als Männer. Ich
persönlich sehe in ihm einen reinen Egoisten, was in aber keineswegs
uninteressanter erscheinen lässt. Die Frage deutet unabhängig davon aber
bereits in Richtung des (abgesehen vom Essen) eigentlichen Themas der Filme:
die Familie.
Trotz meiner geschilderten Präferenz für den ersten Teil
findet sich meine absolute Lieblingsszene – und an großartigen Szenen herrscht
wahrlich kein Mangel – in Teil II. Es ist die vorletzte Szene des Films, eine
Rückblende in das Jahr 1941, also vor die Handlung des ersten Teils. In ihr
wird uns die unglaubliche Tragik des noch bevorstehenden Schicksals der
Corleones nochmals bewusst: Da sitzen sie alle um den Esszimmertisch, die
Geschwister, und warten auf die Ankunft ihres Vaters. Michael erklärt zum
Verdutzen der anderen, dass er sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hat,
und es ist ausgerechnet Fredo, der ihn in seiner Entscheidung unterstützt. Und
im Spannungsverhältnis von Familie und Individuen wird uns plötzlich klar, dass
ihre Leben unzertrennbar miteinander verbunden sind, komme was wolle. „Kann ein
Mann sich von seiner Familie trennen?“, fragt Michael irgendwann zuvor im Film seine
Mutter. Ob er es will oder nicht, er kann es nicht.
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