
Doch ist das
wirklich so? Sind die Oscars und die damit ausgezeichneten Filme wirklich so
schlecht wie ihr Ruf? Ich bin nicht davon überzeugt und möchte mir die
Preisträger daher einmal genauer ansehen. Was jetzt kommt, steht natürlich in
unmittelbarem Zusammenhang zu dem Geständnis, das ich am 7. März an dieser Stelle gemacht habe, und ich muss betonen, dass dies meine rein subjektive
Einschätzung ist und ich jedem eine andere Meinung zugestehe.
Zuallererst muss
ich natürlich eingestehen, dass man sich eigentlich jede Preiskategorie einzeln
ansehen müsste, von denen jede wiederum ihre eigene Logik hat. Täte man dies, könnte man
über Einzelentscheidungen sicher trefflich streiten. Auch ich bin mit vielen
Entscheidungen der Academy nicht immer einverstanden. Aber hier und jetzt
möchte ich mich nur mit jener Kategorie beschäftigen, die in der Öffentlichkeit
die größte Resonanz erfährt: Bester Film. Ich stelle jetzt nicht die Frage, ob es im jeweiligen
Jahr nicht noch andere Filme gegeben hat, welche die Auszeichnung möglicherweise
mehr verdient hätten. Das mag schon sein. Mir geht es hier aber um die jeweiligen Filme
selbst: Sind die ausgezeichneten Filme gute Filme? Würde ich guten Gewissens
jemandem raten, sie sich anzusehen? Oder hat die Academy, wie Kritiker sagen
würden, wieder einmal „ganze Arbeit geleistet und einen wertlosen Film
ausgezeichnet“?
Schon ein Blick
auf die letzten zehn Verleihungen mag für manchen überraschend sein: „Argo“,
„The Artist“, „The King’s Speech“, „The Hurt Locker“, „Slumdog Millionaire“,
„No Country for Old Men“, „The Departed“, „L.A. Crash“, „Million Dollar Baby“,
„Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ – außer „Slumdog Millionaire“,
dessen Auszeichnung wohl das Ergebnis eines kurzzeitigen Multikulti-Hypes war,
sind das allesamt gute Filme. Natürlich gibt es hin und wieder auch
Fehlentscheidungen – aber gibt es die nicht anderswo genauso? Davor kommt mit
„Chicago“ ein Film, den ich selbst nicht gesehen habe, und weiter zurück geht
es dann mit „A Beautiful Mind“, „Gladiator“, „American Beauty“, „Shakespeare in
Love“, „Titanic“, „Der englische Patient“, „Braveheart“, „Forrest Gump“, „Schindlers
Liste“, „Erbarmungslos“, „Das Schweigen der Lämmer“, „Der mit dem Wolf tanzt“,
„Miss Daisy und ihr Chauffeur“, „Rain Man“, „Der letzte Kaiser“, „Platoon“,
„Jenseits von Afrika“, „Amadeus“ und so weiter und so fort. Höre ich schon
einen Einspruch? Ich selbst kann mich jedenfalls nicht beschweren.
Machen wir einen
Seitenblick auf die großen Filmfestspiele, die ebenfalls renommierte
Auszeichnungen vergeben. Mir ist natürlich klar, dass dieser Vergleich nicht
ganz sauber ist, da die Ausgangslage eine andere ist. Auf der einen Seite haben
wir eine Filmakademie, die den Anspruch hat, das gesamte Filmschaffen eines
Jahres – wohlgemerkt in einem bestimmten Land – im Blick zu haben, auf der
anderen Seite haben wir Festivals, deren Preise sich auf einen klar
abgegrenzten Wettbewerb beschränken. Zudem ist bei vielen Filmfestspielen der
künstlerische Anspruch (angeblich) ein höherer. Aber obwohl auch die
Breitenwirkung des Oscars, wie mit dem Zitat Hanekes oben dargelegt, eine
andere ist, so sind die Goldene Palme, der Goldene Löwe oder der Goldene Bär, so
glaube ich zumindest, im Bewusstsein der Öffentlichkeit ebensolche Etiketten
wie der Oscar.

In diesem
Zusammenhang würde ich auch gerne noch ein weiteres häufig gegen die Oscars ins
Treffen geführtes Argument thematisieren: Die angeblich unausgewogene
Zusammensetzung der Academy und die damit vorprogrammierten Entscheidungen. Bei
den großen Festivals bestimmt eine Festivaldirektion im Prinzip im Alleingang,
welche Handvoll Filme überhaupt im Wettbewerb gezeigt werden. Dann entscheidet
eine Jury aus wenigen Personen, in erster Linie Filmschaffenden, nach mehr oder
weniger intensiven Diskussionen und oft nach persönlichen Vorlieben und
Bekanntschaften, wer die prestigeträchtigen Auszeichnungen mit nach Hause nehmen
darf. Dem gegenüber obliegen die Nominierungen für die Oscars zunächst den
jeweiligen Berufsgruppen innerhalb der Academy (Kameraleute für Beste Kamera, Schnittmeister für Besten Schnitt etc.), wenn nicht, wie
etwa bei der Hauptkategorie Bester Film,
gar gleich alle Mitglieder mitstimmen dürfen. Die endgültige Entscheidung über
die Auszeichnungen treffen in geheimer Wahl jedenfalls alle Mitglieder der
Academy, ca. 6000 an der Zahl. Nun frage ich: Warum sollte ein auf diese Weise
demokratisch zustande gekommenes Ergebnis so viel schlechter sein als eine
Festivaljuryentscheidung?
Dies soll kein Angriff
auf die großen Filmfestspiele sein, die ich stets mit großem Interesse
verfolge. Selbstverständlich werde ich mich auch weiterhin darum bemühen, mir
Filme, die in den Wettbewerben von Cannes, Berlin oder Venedig laufen, im Kino
anzusehen. Doch ich wüsste nicht, warum ich die gleiche vorauseilende
Wertschätzung nicht ebenso den Oscar-Gewinnern entgegenbringen sollte.
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