Tarantino-Filme
sind ein Phänomen. Bereits das Hinfiebern darauf erreicht bei Anhängern unglaubliche
Dimensionen und setzt schon Jahre im Voraus ein. Wenn man sie denn mag. Quentin
Tarantino polarisiert. Und somit ist sein neuester Film „Django Unchained“ –
immerhin sein erst achter Kinofilm in 20 Jahren – sicher nicht jedermanns
Sache. Glücklicherweise meine schon.
Der deutsche
Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz) tut sich im Jahr 1858 mit dem schwarzen
Sklaven Django (Jamie Foxx) zusammen, um zunächst ein gutes Geschäft zu machen.
Da er jedoch die Sklaverei ablehnt und sich für seinen Schützling
verantwortlich fühlt, beschließt Schultz, Django bei der Suche nach dessen Frau
Broomhilda (Kerry Washington) behilflich zu sein. Diese lebt inzwischen auf dem
Anwesen des Mississippi-Baumwollbarons Calvin Candie (Leonardo DiCaprio), auf dem
der schwarze Hausdiener Stephen (Samuel L. Jackson) ein strenges Regiment
führt.
Mit „Django
Unchained“ liefert uns Tarantino seinen ersten echten Spaghetti-Western nach
zwei „falschen“ („Kill Bill – Volume 2“, „Inglourious Basterds“). Zudem
verwendet er Elemente der Blaxploitation-Filme der 1970er-Jahre, die er bereits
für „Jackie Brown“ herangezogen hat. Wie von seinen Filmen nicht anders zu
erwarten, kann der Regisseur dabei auf eine Schar sublimer Darsteller zurückgreifen.
Foxx, DiCaprio und Jackson sind großartig, wobei es wieder einmal Waltz in
seiner zweiten Zusammenarbeit mit Tarantino ist, der allen die Show stiehlt. Doch
auch in kleineren und kleinsten Rollen gibt es große Auftritte: Etwa Don
Johnson als Plantagenbesitzer, Jonah Hill als dämlicher Rassist und nicht
zuletzt der Original-Django Franco Nero, der genau weiß, dass das „D“ stumm
ist. Auch die Musikauswahl ist erwartungsgemäß eine Freude, wobei Tarantino
sowohl auf Klassiker des Genres („Django“, „Trinity“) als auch auf neuere
Stücke zurückgreift.
Was aber wirklich
überrascht und diesen Film doch in gewisser Weise besonders macht, ist eine
epischere Herangehensweise. Vor allem im ersten Teil des Films scheint Tarantino
erwachsen geworden zu sein. Dieses Urteil mag angesichts der immer größer
werdenden Blutorgien ein wenig überraschen. Doch man hat plötzlich das Gefühl,
dass „Django Unchained“ anders als frühere Filme nicht mehr nur eine Aneinanderreihung
cooler Sprüche und Szenen ist. Immer wieder werden auch ernste Töne angeschlagen,
wenn es um die Sklaverei geht. Trotz des in den USA verständlicherweise heiklen
Themas hätte man das von einem Quentin Tarantino wohl so nicht erwartet.
Darüber hinaus beweist der Regisseur auch Mut zur Länge und liefert uns dabei
manch wunderbare Landschaftsaufnahme – letzteres wohl auch eine Verneigung vor
dem opernhaften Aufbau der Aushängeschilder des Italo-Westerns.
Es gibt sicher
genügend Leute, die diesen Film hassen werden. Aber ich finde ihn hervorragend.
Lieber Trofi! Danke vielmals. Ich habe den Film nicht gesehen, aber wundere mich über Deine Bezeichnung als Spaghetti-Western, denn QT ist nicht Italiener, spricht kein Italienisch, hat dort nie gearbeitet. Sein Vorname ist sogar eine Hommage an einen US-Western, der damals beliebt war. Seine Mutter ist Native American Indianerin. Der Vater hatte italienisch Vorfahren, ja, aber unter Spaghetti Western stelle ich mir etwas wie Fanciulla del West oder Sergio Leone vor, aber nicht QT....
AntwortenLöschenLieber P. Alkuin, es ist mit Sicherheit ein berechtigter Einwand, den Du vorbringst und der nicht ohneweiters von der Hand zu weisen ist. Ich glaube jedoch, dass sich die Kategorisierung als Spaghetti-Western inzwischen von der reinen geographischen Herkunft getrennt hat. Was diesen vom klassischen amerikanischen Western unterscheidet, ist neben vielem anderen vor allem eine sehr pessimistische Weltsicht und die ausufernde Gewalt. Gleichzeitig wäre es natürlich falsch, jeden revisionistischen Western ab den 1960ern als Spaghetti-Western zu bezeichnen. Auf „Django Unchained“ lässt sich der Begriff meiner Meinung nach deshalb anwenden, weil Tarantino ganz bewusst Motive und Handlungsmuster des Spaghetti-Western wiederaufgreift (u.a. aus „Django“, „Leichen pflastern seinen Weg“, ...). In diesem Sinn sind, obwohl überhaupt nicht im Western-Milieu angesiedelt, eben auch „Kill Bill – Volume 2“ und „Inglourious Basterds“ Spaghetti-Western.
AntwortenLöschenIm Übrigen freut es mich, dass mein Blog Dein Interesse geweckt hat. Die EUCist News lese ich immer wieder gerne.
Löschen